Überlastung, Unterfinanzierung und das Hangeln von Projektantrag zu Projektantrag: Die Situation der Jugendarbeit ist seit Jahren schwierig. In Zeiten von Kriegen und anderen Krisen brauchen Jugendliche mehr Angebote und Unterstützung. Gleichzeitig explodieren die Kosten bei den Organisationen, die Freiräume für Jugendliche organisieren. Was tun?
Am 13. November 2023 haben sich Jugendliche und Fachkräfte der Jugendarbeit aus zehn europäischen Ländern in Dortmund mit Vertreter*innen aus Politik, Verwaltung und Wissenschaft getroffen. Der Titel des internationalen Symposiums: „Jugendarbeit in Europa – Mission (un)möglich?“ Das gemeinsame Ziel: Die Köpfe zusammenzustecken, um Lösungsansätze für die riesigen Probleme zu entwickeln, vor denen die Jugendarbeit aktuell steht.
Angereist zum großen Ratschlag im „Dortmunder U – Zentrum für Kunst und Kreativität“ sind Jugendliche aus neun europäischen Ländern und elf deutschen Kommunen, sowie Stakeholder und Fachkräfte aus Estland, Finnland, Griechenland, Ungarn, Italien, Polen, Rumänien und Spanien. Mit von der Partie war auch eine ukrainische Jugendgruppe, die aktuell aus dem Exil in München aktiv ist.
Demokratie, Diversität und Depressionen
In gemischten Arbeitsgruppen beschäftigten sich die Teilnehmenden Themen wie Jugendarbeit und mentale Gesundheit – ein brennendes Thema, schließlich ist die Zahl der klinischen Depressionen unter Jugendlichen in den Krisenjahren seit 2019 um 60 Prozent gestiegen. Darüber hinaus ging es darum, wie die Arbeitsbedingungen im Bereich der Jugendarbeit verbessert werden können, welche Rolle Jugendarbeit für die Aufrechterhaltung von demokratischen Strukturen in Europa spielt, und wie Diversität und Inklusion in Jugendprojekten erhöht werden können.
Organisiert wurde die Fachtagung vom Internationalen Bildungs- und Begegnungswerk (IBB e.V.) im Rahmen des europäischen Jugendnetzwerks „Generation Europe – The Academy“. Die in Dortmund ansässige Nichtregierungsorganisation koordiniert seit 15 Jahren Netzwerke und Förderprogramme, um europäischen Jugendeinrichtungen die Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg zu ermöglichen. Neben internationalen Begegnungen spielt dabei die Stärkung von lokalen Jugendgruppen eine besondere Rolle.
„Es ist großartig und außergewöhnlich, dass so viele Jugendliche an der internationalen Fachtagung teilgenommen haben“, sagt Elke Wegener, Geschäftsführerin des IBB e.V. „Häufig finden politische und wissenschaftliche Beratungen über Jugendpolitik ohne diejenigen statt, die am stärksten mit den Folgen konfrontiert sind. Darum war es uns besonders wichtig, den Austausch zwischen Politik, Fachkräften, Wissenschaft und Verwaltung mit den betroffenen Jugendlichen zu ermöglichen.“
Empfehlungen an die Politik
Um eine Diskussion auf Augenhöhe möglich zu machen, hat das IBB einen vorgeschalteten Vorbereitungs- und Trainingstag für die jugendlichen Teilnehmer*innen organisiert. Während der Veranstaltung selbst präsentierten die Jugendlichen den Stakeholdern die Arbeit ihrer lokalen Gruppen und internationalen Projektpartnerschaften, und entwickelten mit ihnen zusammen Vorschläge zur Verbesserung der Situation. Erste Ergebnisse der Zusammenarbeit sind unter anderem die Forderung nach einer verlässlichen und möglicherweise fest an das Bruttoinlandsprodukt gekoppelten Finanzierung der Jugendarbeit in allen europäischen Staaten, die Entwicklung eines Master-Studiengangs Jugendarbeit zur Stärkung des Arbeitsfeldes, und der Auf- und Ausbau von „Safe Spaces“ für Jugendliche. In einem nächsten Schritt soll eine Tagungsdokumentation entstehen, um die wichtigen Debatten weiterführen zu können.