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Eine umfassende Dokumentation der Ergebnisse des European Youth Work Symposiums in Dortmund ist jetzt erschienen! Hier gibt es die Zusammenfassung von Gisele Evrard:


Das European Youth Work Symposium ‚Building Bridges – Breaking Barriers‘ brachte Fachkräfte der Jugendarbeit, junge Menschen, politische Entscheidungsträger*innen, Wissenschaftler*innen und Vertreter*innen von Förderinstitutionen aus ganz Europa zusammen. Die Veranstaltung wurde vom Internationalen Bildungs- und Begegnungswerk (IBB e.V.) im Rahmen von Generation Europe – The Academy organisiert und bot eine Plattform, sich mit den kritischen Herausforderungen zu beschäftigen, vor denen das Feld der Jugendarbeit steht.


Building Bridges, Breaking Barriers
Documentation of the European Youth Work Symposium, 28 October 2024 in Dortmund, Germany
Published by IBB e.V.
64 pages, 1st edition 2025
pdf Download| 5,4 MB




Die Teilnehmer*innen tauschten sich über gute Praxisbeispiele aus und setzten sich für eine nachhaltige Unterstützung des Arbeitsfeldes ein – um sicherzustellen, dass die Jugendarbeit ihre zentrale Rolle bei der Förderung von Demokratie und Inklusion weiterhin wahrnehmen kann. Keynotes und Expert*innenbeiträge unterstrichen die Bedeutung der Jugendarbeit als Eckpfeiler der Zivilgesellschaft und betonten den dringenden Bedarf an Förderung und Anerkennung. Im Gegensatz zu vielen anderen Stakeholder-Konferenzen bestand ein wichtiges Ziel darin, jungen Menschen, die die Zielgruppe von Jugendarbeit sind, zu ermöglichen an den politischen Debatten gleichberechtigt teilzunehmen. Darum wurde für die jungen Teilnehmer*innen aus dem Netzwerk von Generation Europe – The Academy ein spezieller Schulungs- und Vorbereitungstag organisiert, der Youth Day. An diesem Tag bereiteten die Jugendlichen ihre Stellungnahmen vor, stellten eine Ausstellung ihrer Best-Practice-Beispiele fertig, machten sich mit der öffentlichen Redesituation vertraut und erprobten insgesamt ihre Fähigkeiten.


Video: Listen to the Real Experts: How to Enable Youth Participation at the European Youth Work Symposium


Kernbotschaften aus den Eröffnungs- und Grundsatzreden


In ihrer Eröffnungsrede betonte Jocelyne Jakob, Geschäftsführerin des IBB e.V., die prekäre finanzielle Lage, in der sich  Jugendarbeit in Europa befindet. Auch fehlende Anerkennung erschwere die Arbeit. Sie beschrieb, wie lokale Jugendinitiativen dennoch transformative Veränderungen ermöglichen und wie Jugendarbeit dazu beiträgt, junge Menschen mit all dem auszustatten, was sie zur Teilhabe an demokratischen Prozessen benötigen. Sie forderte langfristige Finanzierungsmechanismen, um Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Dabei zitierte sie Oskar Negts Aussage, dass die Demokratie die einzige Staatsform sei, die gelernt werden müsse. Ein wichtiger Bestandteil der Verteidigung der Demokratie sei dabei die strukturelle und institutionelle Unterstützung von Jugendarbeit.



In ihrer Keynote nahm Katia Henrikh, Jugendarbeiterin und Projektkoordinatorin des ukrainischen Vereins Duga, das Publikum auf eine inspirierende Reise mit, die sowohl die transformative Kraft der Jugendarbeit als auch das Potenzial junger Menschen veranschaulichte. Sie berichtete von ihren persönlichen Erfahrungen auf dem Weg von der Teilnahme an ihrem ersten internationalen Projekt als Jugendliche bis zur Fachkraft in diesem Bereich. Sie veranschaulichte aktuelle gesellschaftliche Probleme, die die Jugendarbeit betreffen, wie Ungleichheit, Autoritarismus und Burnout. Dabei forderte sie kollektives Handeln zum Schutz und zur Unterstützung von Jugendarbeiter*innen und den beteiligten Jugendlichen. Ihre Botschaft war klar: Jugendarbeit ist unerlässlich, um Resilienz, Solidarität und Hoffnung zu fördern, aber es bedarf eines systemischen Wandels, wenn sie gelingen soll.



In ihrem Interview stellte Marit Pelzer, Wissenschaftlerin der Arbeitsstelle europäische Jugendpolitik am Deutschen Jugendinstitut (DJI), die wichtigsten Erkenntnisse ihrer Forschung zu den systemischen Herausforderungen vor, vor denen die Jugendarbeit heute steht. Sie bestätigte die Diskrepanz zwischen den hohen Erwartungen an Jugendarbeiter*innen und den nach wie vor unzureichenden Ressourcen. In diesem Zusammenhang forderte sie dazu auf, die beiden vorherrschenden Perspektiven in der Jugend(arbeits)­politik zu berücksichtigen: Junge Menschen werden einerseits als wertvolle Ressourcen für die Gesellschaft und andererseits als verletzliche Individuen in einer Entwicklungsphase gesehen. Diese gegensätzlichen Ansichten beeinflussen die Gestaltung und Umsetzung von Maßnahmen. Marit Pelzer betonte die Notwendigkeit des gegenseitigen Verständnisses zwischen Fachkräften der Jugendarbeit und Entscheidungsträger*innen und setzte sich für eine nachhaltige Finanzierung, Verantwortlichkeit und berufliche Anerkennung ein. Sie betonte auch, wie wichtig Youth Mainstreaming über alle Sektoren hinweg ist, anstatt die Stimmen der Jugend auf jugendspezifische Initiativen zu beschränken. Weiter forderte sie dazu auf, gemeinsam für eine Politik einzutreten, die Jugendarbeit als Grundpfeiler demokratischer Gesellschaften sieht und wertschätzt.

Ergebnisse der Arbeitsgruppen

Das Symposium bot Raum für eingehende Diskussionen in fünf thematischen Arbeitsgruppen, die durch Expert*innenbeiträge unterstützt wurden. Sie boten eine Plattform für von Jugendlichen geprägte Perspektiven, die zu möglichen Empfehlungen und umsetzbaren Schritten führten.

1. Gemeinsam stärker: Organisierung von Jugendarbeiter*innen und ihrer Verbündeten

Die Arbeitsgruppe befasste sich mit den Herausforderungen, mit denen Jugendarbeiter*innen konfrontiert sind, etwa mangelnde Anerkennung, unzureichende Finanzierung und schwierige Arbeitsbedingungen. In den Diskussionen wurde die Notwendigkeit stärkerer Netzwerke für die Interessenvertretung, standardisierter Methoden zur Messung der Wirksamkeit von Jugendarbeit und einer stärkeren Professionalisierung des Arbeitsfeldes hervorgehoben. Die Teilnehmer*innen sprachen auch Themen wie die überwiegend weibliche Zusammensetzung der Belegschaft sowie Probleme an, die durch Mutterschaftsurlaub, hohen Stress, begrenzte Unterstützung bei psychischen Problemen und niedrige Bezahlung noch verstärkt werden, und die Fachkräfte aus dem Bereich vertreiben. Die Empfehlungen konzentrierten sich auf die Förderung von sektorübergreifender Zusammenarbeit und den Aufbau nachhaltiger Allianzen mit politischen Entscheidungsträger*innen, um die gemeinsame Interessenvertretung zu fördern, die Anerkennung der Jugendarbeit zu sichern und ihre Rolle bei der Unterstützung junger Menschen zu stärken.

2. Mind Matters: Förderung von Well-Being in der Jugendarbeit

Psychische Gesundheit wurde als Priorität hervorgehoben, wobei die Teilnehmer*innen die Notwendigkeit von Safe Spaces in Schulen, Jugendzentren und an öffentlichen Orten betonten. Solche Räume müssen auch in bestehende Programme integriert werden, um Vertrauen aufzubauen, Stigmatisierung zu verringern und junge Menschen zu befähigen, sich ohne Angst vor Verurteilung zu äußern. Die emotionale Bildung sollte sich auf Awareness für psychische Gesundheit, zwischenmenschliche Beziehungen und die Auswirkungen sozialer Medien konzentrieren, während die praktische Ausbildung von Jugendarbeiter*innen und Pädagog*innen die Themen emotionale Erste Hilfe und Resilienzbildung abdecken muss. Nachhaltige Advocacy- und Lobbyarbeit wurde als wesentlich für die Sicherung von Ressourcen und die Anerkennung von Initiativen zur psychischen Gesundheit hervorgehoben, die sowohl jungen Menschen als auch Jugendarbeiter*innen zugutekommen.

3. Barrieren überwinden: Für eine inklusivere, zugänglichere Jugendarbeit

Inklusion und Zugänglichkeit waren wichtige Themen der Arbeitsgruppe, die sich mit den strukturellen und kulturellen Barrieren befasste, die die Teilnahmemöglichkeiten bestimmter Gruppen an der Jugendarbeit einschränken und sie dadurch ausschließen. Kulturelle Vielfalt wurde als Stärke benannt, und die Teilnehmer*innen setzten sich für inklusive Rahmenbedingungen ein, die Unterschiedlichkeiten würdigen und den interkulturellen Dialog durch Methoden wie nonverbale Kommunikation fördern, um Solidarität und gegenseitiges Verständnis aufzubauen. Als Empfehlung hoben die Teilnehmer*innen hervor, dass Jugendarbeit durch einen intersektionalen Ansatz an unterschiedliche kulturelle, soziale und wirtschaftliche Kontexte angepasst werden sollte, um von einer „One Size fits All“-Lösung abzurücken. Weitere Vorschläge umfassten die Entwicklung von Leitlinien für inklusive Praktiken, die Durchführung von Kampagnen zur Würdigung von Vielfalt und die Sicherung langfristiger Finanzmittel zur Unterstützung von Initiativen für inklusive Jugendarbeit.

4. Level Up: Stärkung der lokalen Jugendarbeit für europäische Zusammenarbeit

Die Arbeitsgruppe betonte die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit und einer starken Jugendarbeit vor Ort als Grundlagen für dauerhaften und sinnvollen Wandel. Um Herausforderungen wie die Aufrechterhaltung des Engagements von Jugendlichen anzugehen, betonten die Teilnehmer*innen, dass Organisationen ihre Strukturen anpassen müssen, um für jüngere Generationen attraktiver zu sein. Zu den praktischen Lösungsansätzen gehörten die Erhöhung der Verfügbarkeit von Jugendzentren sowie die Nutzung sozialer Medien, um das Interesse aufrechtzuerhalten. Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der Inklusion, wobei diskutiert wurde, wie neue technische Entwicklungen genutzt werden können, um die Zugänglichkeit zur Jugendarbeit zu verbessern. Auch generationenübergreifende Herausforderungen wurden diskutiert, wobei unterschiedliche Meinungen darüber herrschten, ob junge Menschen oder ältere Generationen mehr Schwierigkeiten damit haben, zuzuhören. Bei den Gesprächen ging es auch darum, ob Organisationen die Anpassung lokaler Strukturen priorisieren sollten, um jungen Menschen besser gerecht zu werden, oder ob die Zusammenarbeit mit ähnlichen Gruppen in anderen Regionen Vorrang haben sollte. Da beide Ansätze machbar schienen und auch kombiniert werden können, spiegelten die Diskussionen die Vielfalt der Perspektiven zur Stärkung der Jugendarbeit wider.

5. Active Citizenship und Jugendaktivismus: Zwei Seiten der gleichen Medaille

Civic Education, die Theorie mit praktischen Erfahrungen verbindet, wurde als wesentlich für die Förderung einer aktiven Bürger*innenschaft hervorgehoben. Es wurde diskutiert, welche entscheidende Rolle Plattformen wie Generation Europe – The Academy spielen, indem sie jungen Menschen Räume für den Austausch von Ideen, Zusammenarbeit und sinnvolle Aktionen bieten. Safe Spaces wurden ebenfalls als wichtig für die Förderung von Offenheit, Zugehörigkeitsgefühl und Empowerment angesehen. Die Teilnehmer*innen empfahlen eine Reform der Bildungssysteme, damit sie praktische Erfahrungen stärker einbeziehen, und betonten die Bedeutung eines nachhaltigen Dialogs zwischen jungen Menschen und politischen Entscheidungsträger*innen. Ein solcher Dialog könnte Missverständnisse ausräumen und institutionelle Unterstützung für das Engagement von Jugendlichen absichern. Darüber hinaus forderten sie mehr Möglichkeiten für junge Menschen, Verantwortung zu übernehmen, insbesondere in Entscheidungsprozessen innerhalb politischer und institutioneller Strukturen.


Handlungsaufforderungen

Das Symposium forderte dazu auf, Jugendarbeit als entscheidenden Faktor für demokratische und integrative Gesellschaften in den Vordergrund zu stellen. Zu den wichtigsten Prioritäten gehörten:

  • Anerkennung der Jugendarbeit als Beruf und Bereitstellung angemessener Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, um Jugendarbeiter*innen auf anstehende Herausforderungen vorzubereiten.
  • Integration von Themen wie psychischer Gesundheit, Inklusion und aktiver Bürger*innenschaft in Initiativen, Programme und Finanzierungsmechanismen der Jugendarbeit.
  • Abbau von Teilnahmebarrieren durch maßgeschneiderte Initiativen, die die Bedürfnisse junger Menschen mit vielfältigen Hintergründen widerspiegeln.
  • Stärkung von Netzwerken und Förderung von Zusammenarbeit auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene im Rahmen eines integrativen Modells, das die Notwendigkeit der Konsolidierung lokaler Institutionen, Gruppen und Initiativen anerkennt, um eine nachhaltige internationale Zusammenarbeit zu ermöglichen.
  • Sicherstellung einer nachhaltigen, langfristigen Finanzierung, da die Jugendarbeit derzeit in vielerlei Hinsicht an ihre Grenzen stößt und die Gefahr besteht, dass bestehende Strukturen zusammenbrechen oder ihre wachsenden Aufgaben nicht mehr erfüllen können, wenn sich nichts ändert.

Zusammengefasst hat das Symposium unterstrichen, dass Jugendarbeit einer der Schlüsselfaktoren für Demokratie und sozialen Zusammenhalt ist. Im Rahmen der qualitativ hochwertigen Austauschrunden, Präsentationen und Reflexionen bekräftigten die Teilnehmer*innen ihre Entschlossenheit, die Herausforderung anzugehen, den Stimmen junger Menschen mehr Gehör zu verschaffen und sicherzustellen, dass die Jugendarbeit auch die nächsten Generationen inspirieren und stärken kann. Dafür werden allerdings mehr finanzielle Sicherheit und stabilere Rahmenbedingungen dringend benötigt.

Die Zusammenfassung als pdf-Datei (644 kb).